Person-zentrierte Versorgung von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen im Krankenhaus 

Was ist eine Person-zentrierte Versorgung?

Eine Person-zentrierte Versorgung ist ein Ansatz, der den Menschen mit seinen individuellen Bedürfnissen, Werten und Gefühlen in den Mittelpunkt der Versorgung stellt (Kitwood, 2013). Sie ist nicht als konkrete pflegerische oder medizinische Maßnahme zu verstehen, sondern als Grundhaltung der Pflegenden und aller anderen an der Versorgung beteiligter Personen.

Warum ist eine Person-zentrierte Versorgung wichtig?

Für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen, wie z. B. einer Demenz oder einem Delir, gilt die Person-zentrierte Versorgung als ein vielversprechendes Versorgungsmodell. Im Krankenhaus können die unbekannte Umgebung, veränderte Tagesabläufe, eingeschränkte Beschäftigungsmöglichkeiten und medizinische bzw. pflegerische Maßnahmen, Ängste und Stress bei den Patient:innen auslösen. Daneben sind die Abläufe im Krankenhaus häufig nicht auf die individuellen Bedürfnisse von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen ausgerichtet. Werden die individuellen Bedürfnisse nicht erfüllt, steigt die Wahrscheinlichkeit für herausfordernde Verhaltensweisen, wie zum Beispiel Aggressivität, Agitation, Apathie oder zielloses Umherwandern. Diese haben häufig weitere Komplikationen (z. B. Stürze) sowie einen verlängerten Krankenhausaufenthalt zur Folge.

Wie kann eine Person-zentrierte Versorgung umgesetzt werden?

  1. Bedürfnisse erkennen: Jede Person mit kognitiven Beeinträchtigungen ist einzigartig. Indem die individuellen Bedürfnisse wahrgenommen und in der Versorgung berücksichtigt werden, wird das Wohlbefinden gefördert. Dies wird durch Empathie und Wertschätzung der Pflegenden und allen anderen an der Versorgung beteiligten Personen gegenüber Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen erreicht. 
    Ein Biografiebogen kann helfen, Informationen über eine Person und ihre Bedürfnisse, aber auch über ihre Vorlieben, Abneigungen und Gewohnheiten im Zusammenhang mit der Versorgung zu erfahren. Ein Beispiel für einen Biografiebogen finden Sie hier: Informationsbogen: Patienten mit einer Demenz bei Aufnahme ins Krankenhaus
    Der Expertenstandard „Beziehungsgestaltung in der Pflege von Menschen mit Demenz“ stellt das Bedürfnis von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen nach Erhalt und Stärkung ihres Personseins in den Mittelpunkt pflegerischen Handelns (Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege, 2018). Entsprechend sind Beziehungsangebote, die das Gefühl des Gehört-, Verstanden- und Angenommenwerdens sowie der Verbundenheit mit anderen Menschen erhalten oder fördern, notwendig.
  2. Kommunikation: Eine respektvolle Kommunikation ist elementar für eine Person-zentrierte Versorgung. Hierbei gemeint ist jegliche Form verbaler und non-verbaler Kommunikation. Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft hat auf ihrer Website die wichtigsten Hinweise für eine Person-zentrierte Kommunikation zusammengefasst: Kommunikationstipps
  3. Mitwirkung von Angehörigen: Angehörige sind eine wichtige Ressource in der Versorgung von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen. Sie können Sicherheit in der unbekannten Umgebung geben und bei der Bewältigung von Krisen unterstützen. Ebenso können sie in die pflegerische Versorgung einbezogen werden. Auch bei der Entlassungsplanung sind Angehörige wichtige Ansprechpersonen, um einen möglichst reibungslosen Übergang in die häusliche Situation nach dem Krankenhausaufenthalt zu sichern. Gleichzeitig sollten auch die Bedürfnisse der Angehörigen erkannt und berücksichtigt werden sowie Schulungsangebote und Informationsmaterial zur Verfügung gestellt werden (siehe hierzu die Angebote vom Patienten-Informationszentrum (PIZ): Delirschulung für AngehoerigeDemenzseminar für Angehörige).
  4. Beschäftigungsangebot: Herausforderndes Verhalten tritt bei Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen im Krankenhaus vor allem dann auf, wenn sie über einen längeren Zeitraum keine Betreuung, Beschäftigung oder direkte Ansprache erhalten und Bedürfnisse nicht berücksichtigt werden. Konkrete Maßnahmen können, neben der Identifikation und Erfüllung von Bedürfnissen, die Einbindung des ehrenamtlichen Besuchsdienstes (für Gesprächsangebote) und die Bereitstellung von Beschäftigungsmaterial (z. B. Bälle, Zeitschriften oder Spiele) sein. Diese Aktivierungsangebote sollten sich nach den individuellen Vorlieben der jeweiligen Person richten. 
  5. Orientierungshilfen: Die Platzierung von gut sichtbaren Uhren, Datumsanzeigen, Wegweisern zu den Toiletten und Kennzeichnungen an den Zimmertüren (z. B. durch Bilder oder Fotos) trägt dazu bei, das Orientierungsvermögen der Patient:innen zu erleichtern. Diese Maßnahmen können die Selbstständigkeit fördern, indem sie den Patient:innen dabei helfen, sich besser in der Umgebung zurechtzufinden.
  6. Schlafhygiene: Um einer Störung des Schlafrhythmus von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen vorzubeugen, können nichtmedikamentöse Maßnahmen, wie die Reduktion von Störgeräuschen, Entspannungstechniken sowie aktivierende und mobilisierende Maßnahmen am Tage, durchgeführt werden. Die individuellen Gewohnheiten und Routinen der Person, wie Schlafzeiten und -rituale, sollten hierbei berücksichtigt werden.
  7. Fallbesprechungen: Um den Bedürfnissen der Person mit kognitiver Beeinträchtigung gerecht zu werden, ist eine gute Zusammenarbeit zwischen den Berufsgruppen besonders wichtig. Treten Probleme (z. B. herausforderndes Verhalten) auf, sollten diese in Fallbesprechungen mit allen Beteiligten diskutiert werden. Nur so können Lösungsmöglichkeiten für die besondere Situation einer Person mit kognitiven Beeinträchtigungen entwickelt werden.

Weiterführende Literatur: